Selbstgespräch

Hattest du Vorbilder (damals, als du anfingst zu malen)?

Ja, ich hatte Hausgötter: Stark beeinflusst wurde ich damals, neben meinen Erfahrungen, die ich in den Ateliers von Bachmann und Kitzel machte, natürlich von Cézanne, in seiner Brückenfunktion zwischen Tradition und Moderne, von Matisse, mit seinem farbstarken Œuvre, von Paul Klees poetischen Abstraktionen und ganz besonders von Ernst Wilhelm Nay, dessen dicht an dicht gesetzte leuchtende Farbflecke mich fesselten.

Entwickelten sich Kriterien für deine Malerei?

Schon recht früh drängte sich mir eine Erfahrung auf, die ich ›Ökonomie der künstlerischen Mittel‹ nenne .Was damit gemeint ist? Ich merkte bald, wie meine Bilder stärker wurden, sobald ich meine Bildabsicht mit knappem, haushälterischem Aufwand zu erreichen suchte. Ähnliches kannte ich ja aus der evolutionären Biologie, wo es auch um das Verhältnis von Aufwand und Erfolg geht. Auch in der Natur werden sehr oft die ökonomischen ›eleganten Lösungen‹ (Rupert Riedl) favorisiert.
Ein weiteres Kriterium für Qualität ist für mich in der Antwort enthalten, die Matisse auf die Frage gegeben haben soll, warum er eine Frau so verzerrt gemalt habe: »Das ist keine Frau, das ist ein Bild«. So lernte ich beizeiten: Bildqualität geht vor Inhalt.

Wann sollte ich aufhören, an einem Bild zu arbeiten?

Es gibt Tage, an denen ich genau weiß, dass nichts Rechtes zustande kommen wird. An anderen Tagen neige ich zu Redundanzen. Um sie zu minimieren, hilft mir wieder der ›ökonomische‹ Umgang mit Farb- und Formelementen und ermutigt mich, Überflüssiges wegzulassen. So entstehen leere Leinwandstellen in meinen Bildern. Das ist immer ein schwieriger Balanceakt, der mir Entscheidungen abfordert, die ich nicht immer sofort realisieren kann. Manchmal wird dann ein Bild für längere Zeit beiseite gestellt, um es reifen zu lassen. Geduld und Abwartenkönnen werden meist belohnt. Pissarro: »Nur die Faulen überfällt die Schwermut«.

Gibt es für dich optimale Arbeitsbedingungen?

Am besten komme ich beim Malen voran in einer Verfassung, die einer Meditation ähnlich ist. Ein Schwebezustand, in dem höchste kritische Wachsamkeit und loslassende Entspannung gleichzeitig gegenwärtig sind. Wenn meine Jazz-Bänder laufen, wird diese kreative Stimmungslage sehr befördert.

Hast du einen eigenen Stil?

Ich wäre schon zufrieden, wenn meine Bilder eine eigene Handschrift erkennen ließen. Ich bin mir der Gefahr routinierter Wiederholungen bewusst und versuche sie, wann immer ich sie erkennen kann, zu vermeiden. Es macht mich zufrieden, wenn ich gelegentlich den Eindruck habe, dass es mir gelungen ist, einem Bild eine unverwechselbare Individualität gegeben zu haben. Die Betrachter sollen sich nicht langweilen. Ich wäre nicht glücklich, wenn der Eindruck entstünde, man hätte alle meine Bilder gesehen, wenn man drei oder vier kennen gelernt hat.

Was hältst du vom Zufall?

Ja, gern nehme ich Geschenke des Zufalls an. Ich bin kein ›konzeptioneller‹ Maler, also nicht jemand, der vor Arbeitsbeginn einen bis in jedes Detail festgelegten Plan macht, der dann nur noch durch fleißiges Abarbeiten ans Licht kommt. Im Gegenteil: das Bild übernimmt im Verlauf des vorankommenden Malprozesses immer entschiedener das Kommando. Es bekommt zunehmend Mitspracherecht und bestimmt, wie es weitergehen soll.

Künstlerische Wahrheit, gibt es die?

Bereits die Absicht, eine Welt im engen Rechteck der Leinwand oder des Papierformats versammeln zu wollen, ist anmaßend. Räumliches in flache Zweidimensionalität zu verwandeln, ist schöner Betrug. Jede erfundene Form, jede Farbwahl ist, gemessen an der Realität, eine Irreführung. Paradoxerweise bringt aber gerade eine solche Abweichung von der realen Wirklichkeit bildnerische Glaubwürdigkeit ins Bild. Picasso hatte schon Recht: »Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt.«

Stellst du deine Bilder unter bestimmte Themen?

Für mich waren Inhalte immer von sekundärer Bedeutung, und ich hatte nie den Ehrgeiz, Natur abzubilden. Inhalte waren nur ein Anlass, ein gutes Bild zu malen. Ein Thema aber kann wie ein Kompass sein: Es gibt eine Richtung an und hilft, die Vielfalt kreativer Möglichkeiten einzubinden. In diesem Sinne waren meine Themen wie ›Ikarus‹, ›Es ging um Öl‹, ›West-Samoa-Landschaften‹ hilfreich, wie ein Stützgerüst, mit dem ein Bildhauer seine Plastiken stabilisiert. Manchmal male ich mir aber auch magische Welten, die ich sonst nirgends entdecken kann …

 

aufgeschrieben im Jahr 2000 (Auszug)